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Im September 1948 erblickte ich als dritte Tochter des Zimmermannes
Friedrich Mader in Calden-Ehrsten das Licht der Welt. Das wertvolle
Naturprodukt HOLZ wurde mir gewissermaßen „in die
Wiege“ gelegt.
Während meine zwei Jahre ältere Schwester gerne mit Puppen
spielte, fand ich Puppen schlichtweg fad und blöd. Ich spielte
lieber mit den von meinem Vater selbstgefertigten Holzbausteinen.
Meine Sache war das Werkeln an Holzabfällen mit Bohrer, Hammer,
Säge und anderen Werkzeugen; auch das Spielen an Bachläufen,
das Erklimmen eines Baumes, möglichst bis zur Baumkrone. Stolz und
glücklich thronte ich dann da oben.
Wenn mein Vater einen Dachstuhl in unserem Heimatdorf zimmerte, nahm er
mich nach Möglichkeit mit. Begriffe wie „Zimmern“,
„Richten“, „Balken- und Sparrenlage“,
„First“, „Traufe“ und viele andere mehr gingen
mir sehr früh in Fleisch und Blut über. Die Bearbeitung des
Holzes und die letztendlich daraus entstandenen Bauwerke faszinierten
mich. Auf diese Weise wurde bei mir schon sehr früh die
Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit HOLZ geweckt.
Nach den Volksschuljahren in Ehrsten war es für mich daher nahe
liegend, einen bautechnischen Beruf zu erlernen. Ich absolvierte eine
dreijährige Lehre als Bauzeichnerin in einem Kasseler
Architekturbüro.
Die Lehrzeit beinhaltete auch ein achtmonatiges Praktikum in einer Bau-
und Möbelschreinerei. Mit dem Handhobel ein unebenes Stück
HOLZ plan oder aus einem Vierkantholz ein exaktes Rundholz zu arbeiten,
über das man die Hand sanft gleiten lassen konnte, vermittelte mir
Respekt vor dem naturgewachsenen Material. Axt, Säge, Hobel oder
Stechbeitel falsch angesetzt bedeuteten Splitter, Risse und
Unebenheiten. Das Herauslösen von Teilen aus dem Faserverband des
Baumes setzt Kenntnisse über sein Leben und Wachstum voraus
–wie bei uns Menschen, wenn wir unsere Lebensumstände
verändern oder weiterentwickeln wollen.
Die Auf- und Umbruchsituation der
68er Studentenbewegung beeinflussten und prägten mein Leben.
„Mein Freund der Baum“ streckt sich nach dem Sonnenlicht,
um besser wachsen zu können. Ich wollte mehr Bildung, um mich
besser entfalten und um bewusster leben zu können.
Über den zweiten Bildungsweg absolvierte ich das Abitur. An der
Gesamthochschule Kassel studierte ich in den 1970er Jahren
Sozialpädagogik.
Mein soziales und berufliches Engagement war von Anfang an
benachteiligten Kindern und Jugendlichen gewidmet. Dies galt besonders
für meine Tätigkeiten im Jugendzentrum meines Wohnortes
Fürstenwald, in der Familienbildungsstätte der AWO in
Hofgeismar und im Aus- und Fortbildungsverbund (AuF) im Landkreis
Kassel e.V.
In all diesen Tätigkeitsfeldern nahm der naturgewachsene Werkstoff
HOLZ einen großen Spiel- und Arbeitsraum ein. Die Suche nach
geeignetem Material brachte viele Streifzüge durch Wald und Flur
mit sich. Hier stieß ich u.a. auf verfallende Gebäude, wie
das Wasserschloss Wülmersen bei Trendelburg oder die Mühle
Laar bei Zierenberg.
Die historisch wertvollen Gemäuer klagten Rettung, neue
Bestimmungen und Aufgaben ein! Eine Idee nahm Gestalt an! Junge
Menschen ohne Arbeit und Ausbildung brauchten ebenfalls
Zukunftsperspektiven. Beim Auf- und Ausbau der Ruinen wurden sie in
alten Handwerkstechniken qualifiziert; Geschichte wurde für sie
erlebbar – Menschen und Gebäude bekamen neue Wege
aufgezeigt. Eingestürzte Dächer und Mauern, verschüttete
Gewölbe, verwunschene Gänge und Brunnen bildeten
Herausforderungen für alle Beteiligten.
Balken ehemals stolzer Bauwerke ragten oft traurig anmutend in den
Himmel oder wurden als Brennholz vernichtet. Einige habe ich zum
Glück Gefunden und Geborgen. Aus einigen der an den Ufern der
Holzape beim Wasserschloss Wülmersen oder im Mühlgraben der
Mühle Laar Gestrandeten
HÖLZER sahen mich Gesichter an und erzählten über die
Erlebnisse ihrer bewegten Vergangenheit. Sie alle forderten mich auf,
sie zu Gestalten und ihnen neue
Gesichter zu verleihen.
Marianne
Schlitzberger * 19.09.1948
† 08.11.2011
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